Montag, 22. Juni 2009

HYPNOTIC BRASS ENSEMBLE: S/T




Ein Streit so alt wie das Schreiben über Musik: Sagt es etwas über die Qualität einer Band aus, wenn sie einen Sound spielen, dem man sonst nicht begegnet? Ist jenseits des Marketing-Marken-Blablas ein »Alleinstellungsmerkmal« etwas, dass Künstler auszeichnet? Und ab wann ist eine Musik eigenständig? Andersum: Sind Copycats immer einfallslose Unkreative, denen noch nichtmal beim Singen unter der Dusche eine griffige Melodie einfällt?

Rewind. Natürlich ist der Genie-Gedanke abwegig, spätestens seit Beginn des Pop-Zeitalters, also roundabout seit 50 Jahren, ist das Zitat König im Rhytmen-und-Töne-Wald. Genauer: Klauen/Zitieren/Variieren/Remixen waren schon immer legitime Herangehensweisen an Musik (und Kunst im allgemeinen). Es braucht keinen Duchamp und keinen Warhol um zu erkennen, dass das Zitat grundlegender Bestandteil der Kunstproduktion ist. Puccini klaute ausgiebig bei Mozart, der wiederum bei Monteverdi. Aber leitet sich daraus zwangsläufig eine Rangfolge ab? Darf sich Monteverdi ganz oben aufs Siegertreppchen stellen, sich mit den Lorbeeren des Neuen, mit den Insignien des Originalen schmücken und Mozart wie Puccini aufs Haupt spucken?

Forward. Das Hypnotic Brass Ensemble ist eine eigenartige Band. Sie bildet sich aus den acht Söhnen von Philip Cohran, dem ehemaligen Trompeter des Sun Ra Arkestras und dem (familienfremden) Schlagzeuger Christopher Anderson. Auf Damon Albarns Label Honest Jon's, das sich auf »Weltmusik« im weitesten Sinne spezialisiert hat und neben der Moritz-von-Oswald-Produktion Wareika Hill Sounds auch den Großpapa des Afrobeats Toni Allen veröffentlicht, bringen sie nun ihr erstes, selbstbetiteltes Album heraus. Das erste Album? Nicht ganz. Seit 2004 sind schon eine ganze Reihe an Alben des Kollektivs erschienen, allerdings allesamt im Eigenvertrieb und zunächst nur käuflich bei den Auftritten der Band. Denn das Hypnotic Brass Ensemble ist vor allem dieses: Eine Live-Band. Seit Jahren treten sie als Straßenmusikanten in ihrem Heimatort Chicago und auf dem New Yorker Times Square auf und ziehen die Passanten in ihren Bann – denn so will es die Bandmythologie: Bei einem Auftritt in der New Yorker Sub sei ein Zuhörer auf die Band zugekommen, der zuvor alle seine Bahnen verpasst hatte und regungslos dem Spektakel lauschte: »You guys just hypnotized me«.

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